Das Kunstschöne und die Wahrheit der Kunst
1. These: Nach der Ablehnung des bürgerlichen Primats der Idealisierung (Ästhetisierung) wird die Aufrichtigkeit in der Kunst zum zentralen Handlungsmotiv.
Die bürgerliche Erwartung, Kunst solle man genießen können, ist durch ein Missverständnis geprägt. Zwar spricht man in der traditionellen Kunsttheorie von den „Schönen Künsten“. Der Bürger des 19. und 20. Jahrhunderts verwechselte aber den philosophischen Begriff des Schönen mit dem Wohlgefälligen. Von daher der irrige Anspruch an die Kunst.
2. These: Die Aufrichtigkeit der künstlerischen Tätigkeit führt zum Ausdruck der Wahrheit.
Zuerst bei Alexander Gottlieb Baumgarten und dann bei Hegel steht das gelungene Kunstschöne für das Absolute. Das Schöne muss damit zugleich als Wahrheit verstanden werden. In der Erkenntnis dessen wirken Gefühl und Verstand zusammen. Dieser Vermittlung des Sinnlichen und des Rationalen widmete sich schon vor 260 Jahren der Philosoph Alexander Gottlieb Baumgarten in der „Aesthitica“. (Die Ausführungen finden sich in den Abschnitten zur Wahrheit, ästhetikologischen Wahrheit, der ästhetischen Wahrscheinlichkeit und dem unbedingten ästhetischen Streben nach Wahrheit.)
Folgt man Baumgartens Argumentation, geht es also in der Kunst um Wahrheit vor aller äußerlichen Wohlgefälligkeit. Das was nur wohlgefällig ist, ist im besseren Falle eine kunsthandwerkliche Leistung und im schlechteren Fall eine kulturindustrielle ästhetisierende Manipulation.
3. These: Wahrheit in den Werken korrespondiert mit dem strengen Schönheitsbegriff in der Moderne: Schön ist nur das Wahre.
Wahre Kunst ist, wenn sie umfänglich verstanden wird, also nur aufgrund ihres Wahrheitsgehaltes schön: Das Schöne hat jedoch sein Leben nur im Schein. Der Schein ist aber keine Täuschung, „… denn die Wahrheit wäre nicht, wenn sie nicht schiene und erschiene, somit ist gerade der Schein dem Wesen wesentlich.“ (Hegel X1, S. 12, zitiert nach Bloch) Hegels Inhaltsästhetik fragt nach dem „…Schein, der dem Wesen wesentlich ist …(und) in welchem die Kunst dem in sich selbst Wahrhaftigen Wirklichkeit gibt.“ (Hegel X1, S. 12, zitiert nach Bloch)
4. These: Das Kunstschöne und das Naturschöne kommunizieren im Wahrheitsgehalt.
Das Naturschöne - also das natürlich Entstandene – ist zweifelsfrei auch wahr. Nichts daran ist durch menschliche Absichten verändert. Insofern ist der Wahrheitsgehalt des Naturschönen das Vorbild der Kunst. Das Bemühen des Künstlers, die Wahrheit im Werk aufscheinen zu lassen, macht den Unterschied zum Naturschönen aus. Die „Schönen Künste“ sind also erst dann schön, wenn ihr Wesen der natürlichen Wahrhaftigkeit folgt. Das ist der Kern der Kommunikation beider Erscheinungsformen.