Kunst macht sichtbar
1. These: Schon in der klassischen Moderne arbeitete sich die Möglichkeit hervor, die Spuren innerer Zustände im Bild festzuhalten und nicht zu übergehen.
Innere Prozesse wie Neid, Argwohn, Musikalität, Liebe und Lebensfreude prägen sich im Äußeren aus. Das Sehen solcher Spuren in der Darstellung führt dann in das Innere der Sache und bleibt nicht an der Oberfläche hängen. Dies Sehen wandelt sich, wenn man sich bemüht, zur Wahrnehmung. Dabei darf man nicht durch Vornormierungen abgelenkt sein und sich überkommener Selektionsmuster bedienen.
2. These: Sichtbar wird im Impressionismus die kalte Faktizität des Lichteinfalls nicht mehr das Ideal.
Monet zeigt Farben nicht konkret, an den jeweiligen Gegenstand gebunden, sondern sie sind bei ihm körperlose Farbphänomene. Monet`s Kunst macht nicht die Morgendämmerung in einem verdreckten Hafen, nicht die Kaskaden von Qualm der Dampflokomotiven oder die Naturschönheit sichtbar, sondern gleichsam Farben an sich. Die Lichteindrücke werden mit fast wissenschaftlicher Akribie eingefangen wie sie sind. Alles, Farbigkeit an sich, Wirkung der Farben auf Fühlen und Denken des Menschen und die Gestalt bildenden Kräfte des Lichtes als Mittel zur Herstellung von sogar unbekannter Wirklichkeit für den Sehsinn übten ab jetzt Faszination aus.
3. These: Immer konsequenter wird die technisch zugerichtete Menschheit und die konstruierte Welt in der Kunst der Gegenwart in den Blick gezerrt.
Künstler nutzen ursprünglich nichtkünstlerische technische Verfahren um Ursachen und Auswirkungen unterschiedlichen Lebensbereichen sichtbar zu machen:
- „Vergewaltigung des Menschen durch die Maschine”;
- gegensätzliche Menschen, die sich nicht ausstehen können, aber durch die Verhältnisse unentrinnbar aneinander gefesselt sind;
- das Elend der Flüchtlingstrecks überall auf der Welt, vor allem aber an die von Deutschen in den Lagern zur Vernichtung zusammengetriebenen Juden, denen man vorher alles Hab und Gut abzwang;
- »Business as usual«, auch wenn unten am Automaten ein kleines Männlein mit verbrannten Händen an die Atombomben erinnert.”