Reduktionslogik
1. These: Bestimmend in der künstlerischen Arbeit ist das Prinzip der Reduktion – d.h. die Rückführung von etwas auf den Kern der Sache.
Eine kleine Anekdote zur Orientierung: Ein berühmter japanischer Meister bekam von einem Kunden den Auftrag, das Bild einer Ente zu malen. Vier Jahre lang ließ sich Meister Hokusai Zeit, dann lieferte er das kleine Bild dem Kunden aus. Der war begeistert. Doch als er den Preis bezahlen sollte, erschrak er und wollte wissen, warum der Preis so hoch sei und warum die Ausführung so lange gedauert habe.
Hokusai führte den Mann wortlos in sein Arbeitszimmer und öffnete eine große Truhe. Sie war randvoll mit Skizzen und Zeichnungen. Über 150 Blätter mit Darstellungen von Enten kamen zum Vorschein. – Der Kunde bedankte sich mehrmals, zahlte den Preis und ging zufrieden von dannen.
2. These: Reduktion wird in der bildnerischen Arbeit auf zwei Ebenen vollzogen: inhaltlich und daraus abgeleitet in der Bestimmung der optischen Elemente.
Mit dem Begriff der künstlerischen Reduktion ist also das Verfahren bezeichnet, eine Sache und ihre Erscheinungsform auf das richtige Maß zurückzuführen – bzw. alles auszumerzen, was vom Wesentlichen ablenken würde. An Horst Janssens Selbstbildnissen lässt sich beispielhaft beobachten, wie durch die wahrnehmungs-, stimmungs- und situationsbedingte Reduktion ein Substrat zurückbleibt, welches das momentane „Ich“ sichtbar macht.
Im alltäglichen Leben verwenden wir das Reduktionsverfahren ganz selbstverständlich: Für jede Handlung, die wir vollziehen, konzentrieren wir uns auf die sachlich wichtigen Situationselemente und blenden alles andere aus.
3. These: Die Objektivität der Reduktion ist durch subjektive Brechung begrenzt.
Ästhetische Reduktion funktioniert nie rein logisch. Sie ist abhängig vom Zustand und Geschlecht des künstlerischen Subjekts. Der subjektive und objektive Standpunkt bestimmen die Wahrnehmung und damit die Gewichtung der optischen Elemente. Ästhetische Reduktion dringt damit nicht automatisch zum objektiven Kern eines Phänomens durch – sie bringt nur das ans Licht, was vom „Wesentlichen“ auf das wahrnehmende Subjekt wirkt.
4. These: Die radikalste Reduktion zielt auf den energetischen Gehalt der Phänomene. Das führt dazu, die innewohnenden Kräfte und Vorgänge in ästhetische Handlungen zu transformieren.
Zwar reißt Reduktion die Elemente des Wirklichen aus ihrem realen Zusammenhang. Sie sind insoweit unvollständig. Nebensächliches wird weggelassen, Wesentliches wird herausgelöst und betont. Reduktion ist der künstlerische Versuch, die Möglichkeit des Schönen im Vorhandenen, das nicht beschönigt wurde, zu synthesieren. Auch das macht den Hintergrund ästhetischer Bemühungen aus.